Schweizer, Weltbürger, Fotograf (Alltag und Umwelt 2011, von René Burri) - Swiss Press Award

Swiss Press Photo Katalog 2011
René Burri
Schuld waren die Lampen. Eigent lich hatte der junge René Burri Filmemacher werden wollen. Aber in der Schweiz der 1940er Jahre gab es keine Filmausbildung. Und weil die Warmstrahler in der Zürcher Fotoklasse ans Kino erinnerten, entschied er sich für die Fotografie. Das war mutig, vielleicht auch nur naiv. Die Mutter jedenfalls brach in Tränen aus. Sie dachte an Passbilder. Oder den Typus des lästigen Strassenfoto grafen. Dabei war die Schweiz – mit Namen Schuh, Senn oder Tuggener – längst ein Eldorado des Fotojournalismus. Und des Grafikdesign. Der gute Geist der Moderne hatte in der Schweiz überwintert. Und der junge René Burri sollte davon profitieren. Itten, Finsler, Willimann hiessen seine Lehrer. Besser kann man es nicht treffen. Und wenn der von Neugier getriebene Burri letztlich auch einen anderen Weg gegangen ist: Die Strenge der Fotoklasse, die auf Ehr lichkeit und Klarheit zielende Finsler Schule hat auch ihn geprägt. Sein geometrisches Sehen, seine Gabe, das Chaos der Welt im Sucher zu ordnen – in Zürich hat er es gelernt. Die Schweiz ist klein. Das hat Vorteile. Einer ist: Man geht zwei Schritte und ist in der Fremde. Das garantiert noch keine Weltläufigkeit, aber es hilft. René Burri ist ein ausgesprochen weltläufiger Fotograf. Ein Internationalist, der seine Wurzeln nicht vergessen hat. Immer wieder hat er in Schweizer Magazinen publiziert. Bei Fretz & Wasmuth ist 1962 sein erstes und wichtigstes Buch – «Die Deutschen» – erschienen, während er dem «DU» regelmässig seine grossen Essays anvertraute. In Paris hat er Schweizer Künstler wie Tinguely, Giacometti oder Le Corbusier aufgesucht und porträtiert: Burri – ein Botschafter in alle Richtungen. Geprägt ist sein Tun von ewiger Neugier und einem tiefen Humanismus. Längst zählt er zu den bedeutendsten Fotografen des 20. Jahrhunderts. Vor seinem Lebenswerk kann man sich nur verneigen.
Guido Magnaguagno