Landwirtschaft Schweiz (Schweizer Geschichten 2015, von Markus Bühler) - Swiss Press Award

AS Verlag/Landwirtschaft Scheiz
Markus Bühler
Schweizer Landwirtschaft
Um die Schweizer Landwirtschaft machen die zeitgenössischen Fotografen gemeinhin einen
Bogen, und wenn sie doch einmal in den Fokus gerät, dann ironisiert oder gebrochen. Zu gross scheint die Angst, als Fotograf in die Anachronisten-Ecke verbannt zu werden. XY macht eine Ausnahme. Seine Aufnahmen zeigen die heimischen Bauern jenseits von Idealisierung und Ideologiekritik.
Das Bild der Landwirtschaft in der Schweiz ist zwiespältig, polarisiert. Es gibt die konservative
Vorstellung der Schweiz als Volk von freiheitsliebenden, unabhängigen Bauern. Anbauschlacht,
Wahlenplan, Autarkie, Rütli, Sonderfall, SVP, Albert Anker, Alpaufzug, Landsgemeinde... Demgegenüber wird die heimische Landwirtschaft von der jungen, gebildeten, urbanen Bevölkerung oft belächelt. Touristenattraktion, Folklore, Subventionen, Romantisierung, Ineffizienz, Mythologisierung, Atavismus... Dieses Doppelgesicht zeigt sich auch in der Fotografie. Einerseits gibt es die agrarische, „natürliche“ Schweiz, wie sie auf Postkarten, in Bildbänden und von den Tourismusverbänden dargestellt wird. Andererseits kommt die ländliche Schweiz in der zeitgenössischen, „ernstzunehmenden“ Fotografie kaum vor, und wenn, dann gebrochen, ironisiert, verfremdet, dekonstruiert. Das Besondere, ja Einmalige an Markus Bühlers Bildern ist nun, dass er versucht, eine Haltung jenseits dieser Stereotypien einzunehmen. Nicht weniger als eine Bestandesaufnahme der Schweizer Landwirtschaft hat er sich vorgenommen,
und er geht an diese immense Aufgabe, die ihn über Jahre hinweg beschäftigt, mit dem Blick des Forschers heran. „Ich möchte wissen, wie es ist“, sagt er ganz schlicht. Es geht also weder um Stilisierung noch um Infragestellung, sondern um ein Nahebringen.
Die genaue und respektvolle Herangehensweise hat sich XY in der intensiven Beschäftigung mit
Grönland erarbeitet. Essenz dieser Studien war der imposante Bildband „Inuit“. Nun überträgt er seinen „ethnologischen“ Approach auf die so nahe und zugleich so ferne Welt der heimischen Bauern. Sein Blick hat etwas Subversives, gerade weil er nicht subversiv sein will. Will er den Bauern mit dem Tuch auf dem Kopf, der ihn ein bisschen wie Tell aussehen lässt, zum Nationalhelden verklären? Will er ihn lächerlich machen? Weder noch. Das nächste Bild mit dem Heuballen macht klar, was es mit der Kopfbedeckung auf sich hat. Aber als Betrachter ertappt man sich dabei, dass man den Fotografen unwillkürlich in die eine oder andere Ecke, die des Urschweiz-Patrioten oder die des Karikaturisten, drängen will. XYs Bilder entziehen sich diesen Kategorien.
